«Filigranes Zusammenspiel von Licht und Form.» Ein sehr schöner Beitrag der Engadiner Post von Jon Duschletta.
«Der markante Migros-Neubau «Porta Samedan» nimmt Form an und setzt mit seinem aussergewöhnlichen Erscheinungsbild ein weiteres modernes Zeichen an der «Türe» zu Samedan. Entstanden ist die Fassade in enger Zusammenarbeit von einheimischen Architekten, Metallbauern und einem Künstler.
Metall dominiert, auf der Strasse vom Unterengadin herkommend, das Bild in Cho d’Punt, Samedan. Da ist einerseits das 2012 fertiggestellte Energiespeicher-Bürohaus «Islas» des heimischen Architektenpaares Mierta und Kurt Lazzarini mit seiner rostigen Metallfassade und – als optischer Gegensatz auf der anderen Strassenseite – der neue Gewerbebau «Porta Samedan» der Fanzun AG Architekten in mattem Aluminium.
Beiden Gebäuden ist gemein, dass sie in ihrem äusseren Erscheinungsbild die unmittelbare Umgebung, Natur, Landschaft und vor allem das Element Wasser aufnehmen, neu interpretieren und in die Fassadengestaltung einfliessen lassen. Tatsächlich zeigt auch die Fassade des zukünftigen Migros-Einkaufszentrums in seiner Gesamtansicht ein Wellenbild, oder, wie der Samedner Fassadenbauingenieur Curdin Pfister es umschreibt: «Das Bild einer Wasseroberfläche, die von feinen Wellen durchzogen ist.» Entstanden ist dieses Bild in der Planungsphase aus einem Ideenpool und als Anlehnung an das Engadin mit seinem Wasserreichtum.
Im Kontext von «Kunst am Bau»
Auf die Dimension der Fassade umgesetzt hat die Zeichnung dann der 50-jährige, gebürtige Samedner Maler und Grafiker Gregori Bezzola, der in Basel lebt und arbeitet und für konzeptionelle Kunst und «Kunst am Bau» bekannt ist. «Die Zeichnung der gewellten Wasseroberfläche», so Curdin Pfister, «ergibt sich durch die Varierung von Grösse und Abstand der einzelnen, rautenförmigen Lochfräsungen in den Aluminiumplatten in Verbindung mit dem schwarzen Hintergrund und dem Wechselspiel von Licht und Schatten.»
Die logische Folge: Keine der gelochten Aluminiumplatten weist die gleiche Zeichnung auf, ist entsprechend ein Unikat und entstammt als solches dem hochmodernen Faserlaser-Schneidgerät, welches bei der Metallbaufirma Pfister steht und von Curdin Pfister programmiert wurde. Damit bei der Montage die einzelnen Elemente, gleich einem riesengrossen Puzzle, an der exakt vorgesehenen Position hängen, ist jedes Lochblech nummeriert. «Das garantiert uns auch, dass ein beschädigtes Teil anhand der Nummer eins zu eins wieder nachgefräst werden kann», so Pfister. Weil das Ausgangsprodukt, das Aluminiumblech, zudem eloxiert und werkseitig voroxidiert wurde, bleibt dessen Oberfläche matt und verändert sich unter den Umwelteinflüssen nicht oder nur unwesentlich.
Von London zurück nach Samedan
Der 31-jährige Curdin Pfister ist ausgewiesener Fassadenspezialist, hat nach dem Gymnasium an der Academia Engiadina Samedan die Ausbildung zum Bauingenieur mit Vertiefung Metallbau abgeschlossen, in Basel im Planungsbüro einer grossen chinesischen Fassadenbaufirma erste Praxiserfahrung gesammelt, hat danach zwei Jahre als Fassadenbau-Ingenieur in Australien gearbeitet und auch ein Jahr in London. Dort hat ihn gegen Ende 2018 auch der Anruf seines Vaters Urs Pfister erreicht und dem Angebot, nach Samedan ins Familienunternehmen zurückzukehren und sich unter anderem mit der Fassade der «Porta Samedan» zu befassen.
Diese verlangte in Konzeption und Umsetzung nicht nur eine äusserst präzise und aufwendige Planung, sondern auch einiges an Improvisation: «Um letztlich die gleiche Materialbeschaffenheit über die gesamte Fassadenfläche garantieren zu können, mussten wir die 30 Tonnen Alublech in einer einzigen Charge bestellen und einlagern.» Rund eineinhalb Monate betrug deshalb die Lieferzeit, eingelagert wurde das Material in einer neu erstellten Lagerhalle, welche Pfisters aus Teilen des Stahlbaus der vormaligen Shell-Tankstelle Cho d’Punt fertigen konnten.
So passt es, dass ausgerechnet die neue Pfister-Tankstelle mit Shop als erster Betrieb der «Porta Samedan» schon in wenigen Wochen öffnen wird.
Die Fassade der «Porta Samedan» in Zahlen
Aufgebaut ist die markante Aluminiumfassade des Minergie-P-Gebäudes «Porta Samedan» im Gewerbequartier Cho d’Punt auf einer Gebäudekonstruktion aus rezykliertem Beton (siehe EP/PL vom 16. Juli), einer 22 Zentimeter starken Glaswolldämmung, einer hinterlüfteten Aluminiumunterkonstruktion und einer schwarzen Fassadenmembrane.
Für die 1723 Quadratmeter grosse Fassadenverkleidung hat die Metallbau Pfister AG Samedan insgesamt 30 Tonnen eloxiertes und voroxidiertes Aluminiumblech verbaut. Die knapp 800 Elemente von jeweils rund 130 x 130 Zentimeter sind drei Millimeter stark und ringsum an den Kanten ähnlich einem Kuchenblech abgekantet. Jedes der gelochten Aluminiumbleche ist in seiner Zeichnung ein Unikat, und über alles gesehen ergibt sich ein grosses, zusammenhängendes Bild von Wellen auf einer Wasseroberfläche. Eine knappe halbe Stunde dauert die Fräsung eines einzigen Elements mittels einer modernen Faserlaser-Schneidmaschine in der Werkstätte in Samedan. Insgesamt dürfte die CNC-gesteuerte Maschine 417 Stunden oder gut 52 Arbeitstage benötigen, um die Rautenlochmuster in die Fassadenelemente zu fräsen. Die Aluminiumabfälle werden, wie übrigens alle Metallresten aus der Produktion, von einer Spezialfirma eingesammelt und der Wiederverwertung zugeführt.»
Autor: Jon Duschletta, Foto: Daniel Zaugg